Die große Marihuana-Krise von 2011 – eine Lektion für Schwarzmarkt-Geschäfte

  • Damals schon hat dir Oma gesagt: „Aus Fehlern muss man lernen, mein Sohn.“ Wie Recht sie hatte... Manchmal ist es die einzige Möglichkeit, um voranzukommen: stolpern, wieder aufstehen und noch mal von vorn anfangen, indem man das Gelernte aus der erhaltenen Lektion umsetzt. Nützlich kann es auch sein, wenn sich der, der sich irrt, der Nachbar ist. Deswegen ist es sinnvoll, sich die Geschichten von denen anzuhören, die es schon vor uns versucht haben (von denen, die erfolgreich waren, aber auch von denen, die gescheitert sind), um ihre Erfolge zu wiederholen und ihre Fehler zu vermeiden.

Heute erzählen wir euch eine dieser Geschichten. Es hat sich in einem Bundesstaat mit Flussnamen zugetragen: Colorado, gelegen im Westen der Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt berühmt für seine Rocky Mountains, seine Hauptstadt (Denver) und seit kurzem auch dafür, eine der ersten Regionen des nordamerikanischen Landes zu sein, wo der Erwerb von Marihuana als Genussmittel legal ist. 

Zum 12. Glockenschlag am 01. Januar 2014 trat die Gesetzesänderung Amendment 64 in Kraft, die es Einwohnern Colorados und Touristen erlaubt, ganz normal an der Ladentheke drei Gramm Gras zu erstehen, nach Hause zu gehen, sich einen Joint zu drehen und den mit ruhigem Gewissen zu rauchen, ohne daran zu denken, auf dem Weg von der Polizei geschnappt zu werden. Das einerseits. Auf der anderen Seite ermöglicht das auch, dass Produktion, Vertrieb und Verkauf von diesem Kraut blühen, wie nie zuvor (und das nicht nur im übertragenden Sinn).

Trotzdem existiert hier bereits ein wohlhabender Finanzsektor, der auf dem Cannabis-Konsum aufgebaut wurde, welcher bisher legal für medizinische Zwecke war. Dieser Weg ist ein maßgebendes Beispiel für Länder wie unser Spanien, wo das Verbot bald aufgehoben werden könnte – und sollte. Doch wie funktioniert es, wenn weiche Drogen aus dem Untergrund ans Licht der Öffentlichkeit kommen? Wie kann dieses vielversprechende Geschäftsnetz geformt werden, ausgehend von einem Schwarzmarkt, der von Mafia und Dealern kontrolliert wird? Sehen wir uns dazu an, was in der Gegend der Rocky Mountains passiert ist. 

Drittes Jahrtausend, erster Joint

Gehen wir bis ins Jahr 2000 zurück, als die Wähler Colorados über die Gesetzesänderung abstimmten, die den Marihuana-Konsum für medizinische Zwecke legalisieren sollte. Im Zuge dieser neuen Richtlinie entstanden die Ausgabestellen; das sind eine Art Apotheken, in denen der Verkaufsschlager Cannabis ist (oder seine Derivate) und die Kunden eher Patienten sind (zumindest in legaler Hinsicht).

Diese funktionierten am Anfang praktisch ohne jegliche Kontrolle der Gesundheitsbehörden, doch schon bald begann sich das Gesundheitsministerium einzuschalten und begrenzte die Zahl der Patienten pro Ausgabestelle auf fünf. Das verursachte Aufruhr; die Cannabis-Vereinigungen schlugen die Hände über dem Kopf zusammen und nach einem langen Gerichtsstreit konnten sie gegen Ende 2007 diese Maßnahme kippen.

Es vergingen zwei weitere Jahre, in denen erfolglos versucht wurde, die Beschränkung des Hanf-Anbaus wieder einzuführen und so kam die Debatte von einem toten Punkt schließlich ins Jahr 2010, als die ganze Angelegenheit endlich ein bisschen besser durchdacht wurde. Kaum zu glauben, dass ein Jahrzehnt zuvor, als das Veto eingelegt wurde, niemand an die Entstehung eines neuen Marktes gedacht hatte (der für medizinisches Marihuana), mit dem Potenzial für einen ganz neuen Finanzsektor. Doch dies war nun Realität und folglich mussten Richtlinien geschaffen werden.

Der Wachstum, der die Büchse der Pandora öffnete

2010 wurden die Spielregeln festgelegt. Es wurde ein neues Lizenzsystem festgelegt, das Züchter und Besitzer von Ausgabestellen zum Beitritt zwang. Bis zuvor hatten die Ersteren als Privatpersonen Marihuana informell angebaut und ihre Produkte auf direktem Weg oder über Lieferungsdienste an Ausgabestellen oder direkt an die Kunden verkauft. Mit der neuen Regelung war das nicht mehr möglich.

Denn ab diesem Moment benötigten die Züchter Unternehmer, die über eine Verkaufslizenz verfügten, und die Unternehmer brauchten Züchter, da das Gesetz von ihnen verlangte, mindestens 70% von dem, was sie verkauften, selbst zu produzieren. Die einen hatten Erfahrung und Know-how, die anderen Geld und Verkaufsstellen. Man könnte meinen, dass alles eine Frage der Synergien war, doch es war eher eine erzwungene Symbiose, die überlebensnotwendig war und in vielen Fällen unangenehme Konsequenzen mit sich brachte.

Trotzdem lief alles am Anfang wie geschmiert. Die rigorose staatliche Kontrolle hielt die Bundesbehörden fern und vertrieb die Angst vor Razzien, sodass eine günstige und stabile Atmosphäre für den entstehenden professionellen Sektor zum Marihuana-Anbau geschaffen wurde. Es gab seinerzeit viele, die sich rüsteten und den Anfang wagten, Lizenzen beantragten, Shops eröffneten... Es war die typische Ruhe vor dem Sturm.

2011 – Die alarmierende Gelb-Phase

Mit der Ankunft neuer Teilnehmer wurde der Markt für therapeutisches Marihuana unglaublich konkurrenzfähig, vor allem aufgrund der Auswirkungen einer weiteren Neuerung der Richtlinie von 2010, die das erlaubte Produktionsvolumen an die Anzahl der registrierten Patienten knüpfte. Daher setzten die Unternehmer eine einfache Logik um: es mussten mehr Patienten gewonnen werden, um mehr Hanf anzubauen und mehr Geld zu erwirtschaften. Sonnenklar.

Was sie nicht wussten, war, dass die genannte Logik zwar beim Verkauf von Schuhen oder Uhren perfekt funktioniert hätte, doch nicht so leicht auf Cannabis zu übertragen war. Die züchtenden Geschäftspartner erklärten es ihnen: um mehr Marihuana anzubauen, reicht es nicht aus, den Motor anzukurbeln und das Fließband zu beschleunigen. Es ist ein delikater Prozess, der sechs Monate dauert und von mindestens zwei entscheidenden Faktoren abhängt: Belichtung und Anbaufläche.

Um mehr Hanf anzubauen, müssten größere Anlagen gepachtet und kostspielige Systeme für künstliche Belichtung erworben werden. Andernfalls würde die Qualität des Produktes darunter leiden. Deswegen, mein lieber Partner, ist es unmöglich, mehr Marihuana anzubauen und auch noch den Preis zu senken, so wie du das willst. Hier funktionieren deine kapitalistischen Dogmen nicht.

Aber sie mussten funktionieren, denn es gab keinen anderen Ausweg. Pächtern und Lieferanten wurde die Zahlung versprochen, sobald die Ernte fertig und verkauft wäre, aber es gab nur eine Möglichkeit, auf einem so konkurrenzorientierten Markt Hanf herzustellen: Preise senken, Patienten gewinnen und die Produktion erhöhen. Ganz im Stil der Kette „100 Montaditos“: die Gewinnspanne ist klein, aber es wird eine große Menge verkauft, sodass sich am Ende alles ausgleicht.

Es gab viele, die das letztendlich so machten, andere mit hineinrissen und diese dann noch ein paar mehr, sodass sie tatsächlich Kunden gewannen, da einige Leute lieber wenig für mittelmäßiges Gras ausgeben, als mehr Geld für authentisches Marihuana zu bezahlen. Sie tauchten in den Strudel ein und konnten nicht erkennen, dass sie sich das Geschäft vermasselten. So kam es, dass in Colorado 2011 die Marihuana-Krise ausbrach.

Schmuggler und Überlebende

Die Preise fielen weiter und vielen kleinen und mittleren Marihuana-Unternehmen waren die hohen Produktionskosten und der niedrige Verkaufspreis nicht mehr rentabel, sodass die Zeiten des Untergrunds und des Schmuggels zurückkehrten. In den Nachbarstaaten, wo Marihuana gänzlich verboten war, gab es viele Leute, die bereit waren, große Geldsummen für Marihuana von minderwertiger Qualität auszugeben. Auf dem Schwarzmarkt bezahlt man für das Produkt, aber auch für das Risiko.

Einige haben es gewagt und fielen in die Klauen der Bundesbehörden, andere schlossen ihr Geschäft, da die Verluste unhaltbar waren... Tatsache ist, dass die untergingen, die auf das „100-Montaditos“-Modell gesetzt hatten, und den Markt in den Händen derer ließen, die nach gutem Kriterium teurer verkauft und die Integrität bewahrt hatten.

Ihnen ist es bis jetzt nicht schlecht ergangen, doch jetzt, 2014, werden sie die wahren Früchte ernten können. Marihuana als Genussmittel ist nun in Colorado legal und viele vergleichen das sich eröffnende Szenario mit dem Ende der Prohibition. Es wird außerdem erwartet, dass der Marihuana-Tourismus so stark ansteigen wird, dass einige Denver bereits als das neue Amsterdam bezeichnen.

Und das ist bei Weitem noch nicht das Wichtigste. Die Unternehmer der Region sind zu einem Paradebeispiel für alle Unternehmer geworden, die den Markt anderenorts eröffnen wollen, inner- und außerhalb der Grenzen der Vereinigten Staaten. Sie bezahlen sogar, um aus deren Fehlern zu lernen, aber auch um deren Erfolge umsetzen zu können. Dabei gibt es keinen besseren Beweis, dass dort das Marihuana besser in Shops als auf dem Schwarzmarkt ist - in Colorado, wo schließlich die Guten gewonnen haben. Was habt ihr denn erwartet. Letzten Endes ist es doch ein amerikanischer Film.

 

Sean Azzariti, Kriegsveteran aus dem Irak, der erste Käufer in Colorado von Marihuana (Bubba Kush) als Genussmittel (kauft für gesamt 50 Dollar). Du kannst diese Sorte in unserem Shop finden. 

06/11/2014

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