Lizenzvergabe für den Anbau von medizinischem Marihuana in Lateinamerika

  • Der lateinamerikanische Kontinent strebt langsam, aber sicher in Richtung Legalisierung von medizinischem Cannabis. Die Vorhut bildet Uruguay, das aufgeschlossenste Land in Sachen Öffnungspolitik. Außerdem ging soeben auch Peru mit an Bord – und Kolumbien macht der neue legale Markt gar zu einer aufsteigenden Wirtschaftsmacht in der Cannabisindustrie: Durch verschiedene Lizenzen, die auch dem starken Drogenhandel Einhalt gebieten sollen, ist der Anbau in dem Kaffeland nun reguliert – ein neuartiges Konzept, das schon jetzt internationale Firmen anzieht und hilft, kleine und mittelgroße lokale Produzenten von therapeutischem Marihuana zu fördern.

2017 wird für die Cannabis-Welt als eins der bis dato progressivsten Jahre in die Geschichte eingehen. Es bleibt zwar nach wie vor noch viel zu tun, doch die Legalisierungswelle hat bereits zahlreiche internationale Parlamente erfasst, besonders im medizinischen Bereich. Auch in vielen lateinamerikanischen Ländern kreist gerade alles um diese Debatte: Die therapeutische Nutzung von Cannabis wurde bereits in Argentinien, Chile, Puerto Rico, Uruguay, Kolumbien und Mexiko entkriminalisiert. Die Uruguayer haben die Pflanze außerdem als Einzige auch für Freizeitzwecke legalisiert.

Der Ministaat war bei Gesetzesfragen schon häufiger ein Pionier in Lateinamerika. Als erstes Land des Kontinents hat er 1927 das Wahlrecht für Frauen und 2013 die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt. Im selben Jahr hat er als erstes Land der Welt den Anbau und Verkauf von Marihuana legalisiert, und dies sowohl in Bezug auf Produktion und Vertrieb als auch auf Besitz sowie Freizeit-, medizinische und industrielle Nutzung. Damit wurden nicht nur der Eigenanbau in Privatwohnungen und in Cannabis-Clubs erlaubt, sondern auch der Industrie die Türen geöffnet, sodass Uruguay nun zu einer der wichtigsten Größen des Anbaus von medizinischem Marihuana weltweit wachsen könnte.

Dafür stehen die Dinge nicht schlecht, wenngleich alles sehr langsam vorangeht und unter starker staatlicher Kontrolle steht, selbst bei den Pflanzengenetiken selbst. Die spanische Biotechnik-Firma Phytoplant etwa, die ihren Sitz in Córdoba hat, hat sich im April in Uruguay niedergelassen. Sie wird Medikamente auf Cannabisbasis entwickeln und auch mit anderen Pflanzen forschen. Nach dem uruguayischen Gesetz darf medizinisches Marihuana exportiert werden, Marihuana für den Freizeitkonsum aber nur im Land selbst verkauft werden.

Als in den Gewächshäusern die ersten Ernten eingeholt wurden, war das uruguayische Militär vor Ort, bis Anfang Juli 2017 der Verkauf in den Apotheken begann. Der Staat hat verschiedene nationale Firmen, darunter Symbiosis, mit der Ernte von zwei Tonnen Marihuana pro Jahr beauftragt. Die revolutionäre Regelung stößt jedoch auf Widerstand bei den konservativen Kräften: Die Bank von Uruguay hat so unter dem Druck der USA und aus Angst vor internationalen Sanktionen wegen Geldwäsche die Konten der Apotheken geschlossen, die Cannabisprodukte vertreiben, sodass die Pflanze nur noch gegen Bargeld vertrieben wird.

Chile versucht, sich zu positionieren

Die größte legale und medizinische Plantage Lateinamerikas allerdings befindet sich in Chile. Die Präsidentin des Andenstaats, Michelle Bachelet, unterzeichnete bereits Ende 2015 ein Dekret, das das Instituto de Salud Pública (dt. „Institut für öffentliche Gesundheit") zur zuständigen Kontrollbehörde für die Herstellung von Arzneimitteln und medizinischen Produkten ernannte. Dafür wurde im Süden des Landes, nicht weit von den Anden, eine Plantage mit über 6000 Pflanzen errichtet. Diese sind für 4000 Patienten bestimmt, die Cannabis-Behandlungen benötigen.

Damit hat sich Chile auf dem Cannabis-Markt als wichtiger Investor positioniert, wenn auch die Auftragnehmer der riesigen Plantage alle gemeinnützig sind und der Staat den gesamten Anbauprozess kontrolliert. Überraschend ist, dass Marihuana nach wie vor in der chilenischen Liste harter Drogen aufgeführt ist und deshalb sowohl auf den Eigenanbau als auch auf den Besitz 5 bis 10 Jahre Haftstrafe stehen. Die Öffnung beim medizinischen Marihuana hat jedoch dazu beigetragen, dass das Parlament einen Gesetzesentwurf prüft, durch den Konsum sowie Privatanbau entkriminalisiert und Cannabis in eine Liste weniger aggressiver Drogen eingegliedert werden soll.

Ähnliche Entwicklungen sind in Mexiko und Argentinien zu beobachten, wo Cannabis nach wie vor unter Strafe steht, man nun aber Lizenzen für den Anbau von medizinischem Cannabis verteilt und sich damit der Pharmaindustrie annähert – ein erster Schritt, der genau wie in Chile zur Ausweitung einer Debatte beitragen könnte, die bislang in vielen Parlamenten tabu war und sicherlich auch den Weg für die Entkriminalisierung öffnet.

Selbst der Gouverneur von Puerto Rico, Ricardo Rosselló, – der ursprünglich als Neurowissenschaftler und Forscher Karriere gemacht hatte – unterzeichnete im Juli 2017 eine Gesetz zur Regulierung der therapeutischen Nutzung und gab dabei an, „die Wirkung von medizinischem Cannabis auf Patienten mit verschiedensten Krankheiten aus erster Hand [zu] kennen." Er erklärte, ein derartiges Gesetz würde die Forschung fördern und damit auch die wirtschaftliche Entwicklung sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Peru kommt als letztes ins Boot

Auch in Peru ist die legale Nutzung von medizinischem Marihuana Alltag. Sieben Monate, nachdem die Regierung einen Gesetzesentwurf zu deren Legalisierung vorgestellt hatte, am 17. November, unterschrieb Präsident Pedro Pablo Kuczynski die endgültige, zuvor mit absoluter Mehrheit im Landesparlament angenommene Verabschiedung.

Die Zuständigkeit für die Vergabe der Lizenzen zur Erforschung, zum Import, Vertrieb und zur Produktion von Marihuana und dessen Verarbeitungsprodukten für medizinische Zwecke wird beim Gesundheitsministerium liegen. Um eine gesonderte Forschungslizenz zu erhalten, brauchen die chemisch-pharmazeutischen Labore eine Akkreditierung und Zertifizierung. Zudem wurden auch drei Artikel des Strafgesetzes verändert – Peru ist der zweitgrößte Hersteller von Kokablättern weltweit und kämpft seit langem gegen den Drogenhandel; die aktuelle Gesetzgebung muss also den neuen Entwicklungen angepasst werden.

Der Vertrieb und Anbau von Cannabis wird demnach nicht mehr strafrechtlich verfolgt, solange eine Lizenz für die Forschung, den Import und/oder die Produktion vorliegt. Auch der Besitz von Cannabis oder dessen Verarbeitungsprodukten für den unmittelbaren Eigenbedarf ist nicht länger strafbar. Die therapeutische bzw. medizinische Nutzung kann also nicht mehr geahndet werden, solange die Menge nicht höher ist als beim Gesundheitsministerium für diesen Patient verzeichnet.

Kolumbiens neues legales Anbaukonzept

Wenn jedoch ein Land tatsächlich alles auf die neue „grüne" Branche gesetzt hat und selbst Uruguay Konkurrenz machen könnte, ist das Kolumbien.

Drogenhandel war in der jüngeren Geschichte Kolumbiens ein echtes Problem, das zahlreiche soziale Probleme verursacht hat und angesichts der mächtigen kriminellen Organisationen und der bergigen Geografie des Landes nur schwer in den Griff zu bekommen ist. Dies ist einer der Gründe, warum der Kongress nach monatelangen Debatten der Reglementierung des Anbaus und Verkaufs von Cannabis zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken zugestimmt hat: Nun vergibt die Regierung Lizenzen, jedoch bei intensiver – und auch notwendiger – Kontrolle sowie sehr harten Strafen für all die Produzenten, die sich Ordnungswidrigkeiten zuschulden kommen lassen oder den illegalen Handel fördern.

Das Dekret vom 10. April führt 4 Arten von Lizenzen ein, die alle 5 Jahre gültig sind: für die Herstellung von Verarbeitungsprodukten, die Samennutzung zur Saat sowie den Anbau von entweder psychoaktiven oder nicht-psychoaktiven Cannabispflanzen. Die Genehmigungen gehen an große Firmen aus der Marihuanabranche, aber auch an kleine oder mittelgroße Bauern (mit Plantagen unter 5000 m2 Gesamtfläche). Letzteren werden neben einer fachlichen Beratung auch Vorteile bei der Zuteilung der Kontingente und anderweitige Erleichterungen auf dem Markt geboten: Das Gesetz legt tatsächlich fest, dass eine Cannabis verarbeitende Firma 10 % ihrer Bestände von kleinen oder mittelgroßen Produzenten beziehen muss. Quellen aus dem Justizministerium zufolge hat eine Genossenschaft aus 63 Kleinproduzenten bereits ihre Lizenz erhalten; ein weiterer Antrag einer Gruppe von 260 Bauern sei diese Woche eingegangen.

Bislang gibt es mit Ausnahme von Uruguay kein vergleichbares Gesetz in Lateinamerika, das sowohl ausländischen Investoren als auch lokalen Produzenten zugutekommt. Mit dieser Strategie sollen auch der Schwarzmarkt in den Griff bekommen und Cannabis-Bauern durch Subventionen und Beratung dazu ermuntert werden, den Anbau in legale Bahnen zu bringen. Außerdem wird mit den Geldern aus den Lizenzen und Genehmigungen ein Fond eingerichtet, mit dem Konsum-Präventionsprogramme in Schulen entwickelt werden sollen.

Auf Grundlage dieser Regulierungsmaßnahme hat das kolumbianische Gesundheitsministerium bislang 14 Lizenzen an lokale Firmen wie u. a. Cannalivio, Pideka, Ecomedics und Canmecol sowie die kanadisch-internationalen Konzerne Cannavida, Khiron Life Science und Pharmacielo ausgegeben. Als nächstes müssen die Unternehmen die Sorten, die sie anbauen werden, beim ICA (Instituto Colombiano Agropecuario, „Kolumbisches landwirtschaftliches Institut") eintragen lassen und durch das Insituto Nacional de Vigilancia del Medicamento („Nationalinstitut für die Überwachung von Medikamenten") zertifiziert werden.

Außerdem wurde Kolumbien – und dies noch vor dem offiziellen Start der Produktion von medizinischem Cannabis – 2017 durch den Internationalen Suchtstoffkontrollrat (INCB), der den Vereinten Nationen unterliegt und den legalen Cannabismarkt reguliert, rund ein Viertel der gesamten Produktionsquote von 155,5 Tonnen weltweit zugeteilt. Das Land hat diese Quote, die nur von Kanada übertroffen wurde, zwar noch nicht erfüllt, da der rechtliche Rahmen noch nicht fertig ausgearbeitet ist, doch die Erlaubnis des INCB zeigt, dass es bereits jetzt als zukünftige Großmacht der legalen Cannabisproduktion gehandelt wird.

Auch die internationale Forschungsindustrie begreift Kolumbien dank dessen wirtschaftlicher Stabilität, niedriger Produktionskosten und dank dessen Klima als große Chance, um sich in Sachen medizinisches Cannabis weiterzuentwickeln und Fortschritte zu erzielen. Dabei zeigen jedoch nicht nur die ausländischen Kapitalgeber Interesse an dem Kaffeeland, auch in Lateinamerika selbst verfolgt man die Umsetzung der Gesetze und deren Folgen genauestens, um für die eigene Gesetzgebung zu lernen. Brasilien, Costa Rica, Ecuador und sogar Venezuela schielen immer wieder zu ihren Nachbarländern Kolumbien, Peru, Chile oder Uruguay, um die vollkommene Entkriminalisierung einführen und ihrerseits die erstarkende Industrie anlocken zu können.

26/01/2018

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