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Die Kanadier müssen warten: Die Legalisierung von Marihuana zögert sich hinaus

  • Kanadas Premierminister Justin Trudeau hatte die Regulierung der Pflanze bereits als eines seiner Hauptanliegen geäußert, bevor er an die Macht kam. Seine Regierung kündigte im vergangenen Jahr an, eine Gesetzesreform zu erarbeiten und die Arbeitsgruppe zur Legalisierung und Regulierung von Cannabis veröffentlichte Ende November Richtlinien und Empfehlungen für die Umsetzung des Projekts.
  • Dennoch schreitet der Prozess langsamer voran als erwartet. Der Vorstand der Arbeitsgruppe sah die Einführung bereits für Frühling 2017 vor, es scheint aber alles darauf hinzudeuten, dass die Kanadier noch ein paar Jahre warten müssen, bis sie endlich legal Marihuana konsumieren, anbauen und verkaufen können.
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Der liberale Justin Trudeau hatte sein Vorhaben, Marihuana sowohl im medizinischen als auch im Freizeitbereich zu legalisieren, bereits im Wahlkampf offengelegt. Im Gegensatz zu anderen Politikern begann er sobald er das Amt bekleidet hatte, sein Wahlversprechen einzulösen. Im April 2016 kündigte die Gesundheitsministerin Hame Philpott an, das ein entsprechendes Programm eingeleitet wurde. Damals ging man davon aus, dass die neuen Regelungen bereits im Frühjahr 2017 eingeführt werden könnten. 

Diejenigen kanadischen Verbraucher, Aktivisten, Grower oder Händler von Cannabis und verwandten Produkten, die diesen Moment schon seit langem herbeisehnen, müssen bei dem aktuellen Rhythmus der Entwicklungen anscheinend noch etwas mehr Geduld aufbringen. Offenbar wird es weder in diesem Jahr, noch im nächsten und selbst nicht Anfang 2019 zu bedeutenden Änderungen kommen. Die Gründe für diese Verzögerung sind vor allem praktischer Natur. 

Die Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Experten, Vertreibern und der breiten Öffentlichkeit unabdingbar ist, um das neue System erfolgreich einzuführen

Die empfohlenen Umsetzungen des im vergangenen November veröffentlichten Berichts der Arbeitsgruppe für die Legalisierung und Regulierung von Cannabis gestalten sich in einem großflächigen und einflussreichen Staat wie Kanada recht kompliziert. Die Arbeitsgruppe setzt sich aus neun freiwilligen Experten zusammen, die Fragen bezüglich der Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung analysierten und über 80 Empfehlungen verfassten, die sie Anfang Dezember an die Minister für Recht, Gesundheit, Öffentliche Sicherheit und an den Generalstaatsanwalt adressierten. 

Die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Anne McLellan drückte damals ihre Hoffnung aus, dass das Dokument dabei helfen werde, die Grundlagen für einen neuen gesetzlichen Rahmen zu schaffen und wies darauf hin, dass „die Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Experten, Vertreibern und der breiten Öffentlichkeit unabdingbar ist, um das neue System erfolgreich einzuführen." McLellan hat in vorherigen Legislaturperioden bereits als Gesundheitsministerin, Justizministerin und auch als Ministerin für Öffentliche Sicherheit gearbeitet und weiß daher, dass es zur Verwirklichung ihres Plans einen radikalen ideologischen Wandel von Politikern, Streitkräften und Einwohnern bedarf. 

Eines der möglichen Hindernisse für die Einführung der neuen Regulierung ist die territoriale Organisation und die Gewaltentrennung zwischen den verschiedenen Provinzen Kanadas, da die regionalen und föderalen Verwaltungen sich miteinander einigen müssen, um die Legalisierung von Marihuana umzusetzen. Die Notwendigkeit eines politischen Konsens zwischen allen Beteiligten könnte die Gründung einer Cannabisindustrie mehr verzögern, als in anderen Staaten mit einer deutlich einfacheren Gesetzgebung, wie Colorado und Washington, die zwei ersten US-Bundesstaaten, in denen der Freizeitkonsum von Marihuana per Volksentscheid legalisiert wurde.

Die Wähler stimmten im Jahr 2012 für die Initiative, die Erwachsenen den Cannabiskonsum erlaubt und baten darum, dass die Regulierung spätestens im Januar 2014 eingeführt werde. Der Vorstand der Initiative entschied, Unternehmern in der Cannabisbranche freie Hand zu lassen, um ihre Aktivitäten auf legalem Wege auszuüben. Es kam allerdings zu einigen Startschwierigkeiten: Die Anzahl der Unternehmen, die sich dem Verkauf und Vertrieb von Cannabis widmen, stieg explosionsartig in die Höhe, obwohl nur einige wenige über eine Vertriebslizenz verfügten. Des Weiteren erschwerte die Regulierung von diversen Produkten, die auf Cannabis basieren und das Vorhaben, eine klare Trennung vom medizinischen Sektor und Marihuana zu Entspannungszwecken zu ziehen, die Entwicklung eines funktionalen Wirtschaftsgefüges.

Vorgeschichte und Ausblick

In Kanada ist die Regulierung von medizinischem Marihuana nichts Neues: Es war das erste Land der Welt, dessen Regierung ein Programm zur Abgabe für die Behandlung von chronisch und unheilbar Kranken einführte. Das System ist allerdings einigen Änderungen unterzogen worden. Ende 2013 wurde auf Initiative der konservativen Regierung von Stephen Harper ein Marihuana-Produktionsstopp eingelegt und der Markt auf Privatunternehmen verlagert, die bestimmte Auflagen erfüllen und über eine entsprechende Lizenz verfügen müssen. Statt einen formalen Antrag für eine Genehmigung an Ottawa zu stellen, konnten Patienten die Behandlung mit Cannabis nun vom Hausarzt verordnet kriegen; der Eigenanbau von Patienten wurde allerdings verboten

Diese neue Regelung trat im März 2014 in Kraft und bedeutete für Konsumenten, die einen Eigenanbau für medizinische Zwecke betrieben einen schweren Schlag. Die unerfreuliche Situation wurde glücklicherweise von einem Zusammenschluss betroffener Personen gerichtlich angefochten, worauf der oberste Gerichtshof das Gesetz erneut änderte und den Eigenanbau von medizinischem Marihuana wieder legalisierte. 

Man weiß noch nicht genau, welche Regelungen der Gesetzgeber bezüglich Marihuana zu Entspannungszwecken einführen wird, aber die kanadischen Provinzregierungen werden dazu befugt sein, den Marihuana-Anbau zu regulieren und strengere Maßnahmen und Auflagen in den unteren Produktionsstufen einzuführen. Des Weiteren können sie auf Forderungen von Herstellern eingehen, die Beschwerden über Unwirtschaftlichkeiten im System oder Konflikte zwischen Vertreibern von medizinischem Marihuana und den für den Verkauf und Konsum vorgesehenen Einrichtungen einreichen. 

So werden die Provinzen und Territorien nach der offiziellen Legalisierung einen rechtlichen Rahmen für den Vertrieb von Marihuana zu Entspannungszwecken erarbeiten. Sie müssen aber darauf warten, dass die Bundesregierung Kanadas die für Frühling 2017 versprochene landesweite Regulierung einführt. Solange dies nicht geschieht, kann man bislang nicht sehr viel mehr als die ersten Richtlinien festlegen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass vor Herbst dieses Jahres ein Gesetz durchgebracht wird, denn dies ist die Frist, bis zu der die Provinzen ihre regionalen Initiativen zur Ergänzung der bundesübergreifenden Regulierung vorstellen müssen.

Ein aktuell diskutiertes Thema auf provinzieller Ebene ist die Entscheidung, Privatunternehmen die Zügel zu überlassen, den Vertrieb an staatlich kontrollierte Abgabestellen zu beschränken und die Gesetze so zu gestalten, dass nur Großunternehmen davon profitieren.

Dem amerikanischen Modell folgen

Kanada befindet sich aktuell in derselben Situation wie die US-Bundesstaaten Colorado und Washington im November 2012, als sie Marihuana zu Entspannungszwecken legalisierten. Wenn man die Zeiten an die kanadische Realität angleicht, kann man also davon ausgehen, dass die Lizenzen zum Vertrieb von Cannabisprodukten frühestens im Jahr 2019 an Unternehmen erteilt werden. Und wenn man bedenkt, dass noch ein langer Weg zu beschreiten ist und die Möglichkeit besteht, dass der Gesetzgeber den Prozess eventuell noch weiter hinauszögert, könnte selbst 2019 zu optimistisch sein. 

Auch McLellan betonte bereits in den Anfängen des Projekts, dass man die Reform zum Marihuanakonsum langsam angehen müsse. Die Vorsitzende der Arbeitsgruppe für die Legalisierung und Regulierung von Cannabis erklärte in einem Interview, dass man von anderen Staaten lernen könne: „Es ist besser, sich etwas Zeit zu nehmen, da es weitaus schwieriger ist, im Nachhinein Änderungen einzuführen, als anfangs etwas strikter vorzugehen und die Regulierung nach und nach zu lockern." Es hat den Anschein, dass die Kanadier noch etwas Geduld aufbringen müssen, bis abzusehen ist, dass Cannabis im Land komplett legalisiert wird und unter welchen Konditionen.

30/01/2017

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